Isabelle Zinsmaier ist Stipendiatin des GNK-Graduiertenkollegs „Zeugenschaft. Episteme einer medialen und kulturellen Praxis" an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Sie studierte Angewandte Theaterwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Theaterpädagogik an der Universität der Künste in Berlin. Sie ist Teil des Frankfurter Zaungäste Kollektivs und als Theaterpädagogin u.a. für das Schauspielhaus Zürich tätig. Ihre Forschungsinteressen beinhalten das Verhältnis von Theater und Postkolonialismus sowie die Frage nach machtkritischen Bildungspotentialen in der Theaterpädagogik.
Publikationen:
Theaterpädagogik im postkolonialen Kontext, in, Korrespondenzen – Zeitschrift für Theaterpädagogik, Heft 74 – Theaterpädagogik postkolonial, April 2019
Dissertationsprojekt
Theater als Raum für Zeugenschaft
In der zeitgenössischen Theaterlandschaft findet sich eine Reihe von Inszenierungen, die kollektive Gewalterfahrungen der letzten Dekaden unter Einbeziehung von Momenten der Zeugenschaft verhandeln. Sie stammen von Künstler*innen wie Mohammad Al Attar (Aleppo. A Portrait of Absence), Lola Arias (Campo Minado/Minefield), Silke Huysmans & Hannes Dereere (Mining Stories), Rabih Mroué (Riding on a cloud), Milo Rau (Ruanda - Hate Radio) oder Yael Ronen (Common Ground, Winterreise) und arbeiten mit der leiblichen oder stimmlichen Anwesenheit von Zeug*innen, Dokumenten und Objekten als Zeugnissen oder dramatischen und anderen theatralen Bearbeitungen von Zeugenberichten. Produktions- und Rezeptionsort dieser Inszenierungen sind überwiegend Spielstätten und Festivals der westeuropäischen freien Theaterszene; die verhandelten Ereignisse hingegen finden und fanden mehrheitlich außerhalb Europas statt. Durch (post-)koloniale Zusammenhänge, Migration, Flucht oder globale ökonomische Verflechtungen stehen sie jedoch auch in Verbindung mit den Orten der Rezeption.
In der Dissertation soll untersucht werden, welche Rolle Theater als Raum und künstlerische Form vor diesem Hintergrund im Kontext von Wahrheits- und Erinnerungspolitik spielen kann. Dafür sollen ästhetische Strategien analysiert werden, die eine Hinterfragung gängiger Narrative von Zeug*innenschaft, ein Sprechen über die thematisierten Ereignisse sowie deren Reflexion ermöglichen. Zugleich sollen – im Sinne einer Politik der Produktionsprozesse – soziale, psychologische oder politische Auswirkungen der Produktionsprozesse jenseits des ästhetischen Produkts ins Auge gefasst werden, um zu untersuchen, wie sich die Funktion des Raumes Theater anhand einer solchen künstlerischen Praxis erweitert.